Was macht unser Mikrobiom menschlich und gesund?
Eine
wichtige Frage in der modernen lebenswissenschaftlichen und
medizinischen Forschung ist, wie die in und auf einem Körper lebenden
Mikroorganismen die Lebensprozesse und damit Gesundheit und Krankheit
des Wirtslebewesens beeinflussen. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler unter anderem an der Christian-Albrechts-Universität zu
Kiel (CAU) gehen davon aus, dass es Zusammenhänge zwischen der
Gesamtheit der mikrobiellen Besiedlung des Körpers, dem sogenannten
Mikrobiom, und der Entstehung von Krankheiten gibt. Speziell
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind offenbar eng mit der
Zusammensetzung und Störung des Mikrobioms verknüpft. Gleichzeitig ist
die Definition eines gesunden Normalzustandes der menschlichen
Mikrobenbesiedlung schwierig, da sie von vielen Faktoren beeinflusst
wird und die individuelle Zusammensetzung von Mensch zu Mensch variiert.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Kieler
Sonderforschungsbereichs (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von
Metaorganismen" haben nun Mikrobiomdaten von verschiedenen Menschenaffen
mit jenen von Menschen mit ländlichen und urbanen Lebensweisen in der
bislang größten Studie dieser Art verglichen, um bestimmte Muster von
Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Mikrobenbesiedlung der
verschiedenen Wirte herauszuarbeiten. Damit hoffen sie, neue
Erkenntnisse über den Einfluss der evolutionären Entwicklung, der Umwelt
und des Lebensstils auf die Zusammensetzung des Mikrobioms zu gewinnen
und mögliche Auswirkungen zu identifizieren. In ihrer neuen Arbeit
konnten sie vor allem bestätigen, dass die mikrobielle Besiedlung eines
Lebewesens sehr wirtspezifisch ist, die Evolution von Mikroorganismen
und ihren Wirten gemeinsam und parallel abläuft und dass die
Artenvielfalt des menschlichen Mikrobioms im Vergleich mit Menschenaffen
reduziert ist. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie kürzlich gemeinsam
mit Forschenden verschiedener Partnerinstitutionen, unter anderem dem
Greifswalder Helmholtz Institut für One Health, einem Standort des
Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung, in der renommierten
Fachzeitschrift Nature Communications.
Metagenomuntersuchung analysiert Daten von Menschenaffen und Menschen
Das
Forschungsteam des SFB 1182 führte eine sogenannte Metagenomstudie
anhand von rund 200 Stuhlproben durch, die von wildlebenden
afrikanischen Menschenaffen, unter anderem Schimpansen und Gorillas, und
von menschlichen Probanden aus der Demokratischen Republik Kongo und
der Elfenbeinküste sowie aus Dänemark und Deutschland stammen. Die
afrikanischen Probandinnen und Probanden leben in ländlichen Umgebungen
am Rande von Nationalparks, in denen die Tiere beprobt wurden, während
die europäischen Teilnehmenden aus städtischen Umgebungen stammen. Die
so gewonnenen Genome von Mikroorganismen stellen das bisher größte
Datenset dieser Art dar. Auf diese Weise konnten die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Vielfalt und Zusammensetzung
der in den jeweiligen Mikrobiomen enthaltenen mikrobiellen Arten
bestimmen und sie hinsichtlich ihrer Entwicklung und der Auswirkung von
Umwelteinflüssen vergleichen. „Dabei hat uns insbesondere der
evolutionäre Blickwinkel interessiert, also wie sich Mikrobiome von
einem gemeinsamen Ahnen hin zu den heutigen Affenarten und menschlichen
Populationen über lange Zeiträume entwickelt haben", sagt Dr. Malte
Rühlemann, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter in
der Arbeitsgruppe von Professor Andre Franke am Institut für Klinische
Molekularbiologie (IKMB). „Wir haben die Hypothese, dass dieser Ansatz
uns außerdem Einblicke in die Entstehung von Krankheiten liefern kann,
die wahrscheinlich durch das Mikrobiom beeinflusst werden, zum Beispiel
von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen", so SFB 1182-Mitglied
Rühlemann weiter, der auch Mitglied im Exzellenzcluster „Precision
Medicine in Chronic Inflammation" (PMI) ist.