Forschungsprojekt will Zoonose-Risiko besser abschätzen

Forschende gehen davon aus, dass ein Verlust der Biodiversität – zum Beispiel durch menschliche Eingriffe in Ökosysteme – die Übertragung von Krankheitserregern zwischen Tier und Mensch, sogenannte Zoonosen, begünstigt. Doch wie groß ist dieser Effekt? Ihn genauer zu beziffern, ist das Ziel eines internationalen Forschungsteams unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Zoonosen frühzeitig erkennen zu können. Das jetzt gestartete Projekt „Zoonosis Emergence across Degraded and Restored Forest Ecosystems” (ZOE) wird von der EU-Kommission für vier Jahre mit rund vier Millionen Euro gefördert.

Zoonotische Infektionskrankheiten entstehen dort, wo Mensch und Tier zusammentreffen – beispielsweise in der Massentierhaltung oder beim Handel und Verzehr von Wildtieren. Aber auch in Gebieten, in denen der Mensch in natürliche Lebensräume eingreift. Einerseits, weil er dadurch mit Wildtieren in Kontakt kommt. Und andererseits, weil er das empfindliche Gleichgewicht des Ökosystems stört.

„Wenn wir in Naturräume eingreifen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Tiere, die mit den neuen Umweltbedingungen besser zurechtkommen, sich stärker vermehren", erklärt Prof. Jan Felix Drexler, Virologe an der Charité und Leiter des neuen Forschungsvorhabens. „Es gibt Hinweise, dass sich mit ihnen auch ihre Krankheitserreger vermehren, die potenziell für den Menschen gefährlich werden können".

Der Verlust der Artenvielfalt beeinflusst also die Wahrscheinlichkeit von Zoonosen. Und zwar insbesondere dort, wo der Mensch Landschaften erstmals oder anders als bisher nutzt: Wo er zum Beispiel Wälder abholzt, um Weideland für Nutztiere oder Plantagen zu schaffen, oder wo Städte sich in das Umland ausbreiten.

Interdisziplinäres Team kartiert Makro- und Mikro-Biodiversität

Die genauen Zusammenhänge zwischen Landnutzungsänderungen, dem Verlust der Biodiversität und dem Zoonose-Risiko sind noch immer unklar. Um sie besser zu verstehen, hat Jan Felix Drexler gemeinsam mit Prof. Nadja Kabisch, Landschaftsökologin an der Leibniz Universität Hannover und Ko-Koordinatorin des Projekts, ein interdisziplinäres Konsortium mit ausgewiesener Expertise in den Bereichen Geografie, Geobotanik, Ökologie, Virologie, Immunologie, Epidemiologie, Soziologie, Psychologie, Anthropologie und Wissensverbreitung versammelt.

Die Forschenden aus sieben europäischen und vier amerikanischen Ländern planen eine detaillierte Kartierung der Biodiversität in Waldgebieten, in die der Mensch unterschiedlich stark eingegriffen hat. Das Team wird dazu in Guatemala, Costa Rica, Slowenien und der Slowakei ursprüngliche Wälder sowie entwaldete und renaturierte Flächen untersuchen.

Um die jeweils vorherrschende Landnutzung und die Artenvielfalt zu ermitteln, sollen die Beschaffenheit der Landschaft sowie die Tier- und Pflanzenarten mithilfe von Satellitenaufnahmen und auch direkt vor Ort erfasst werden. Zusätzlich wollen die Wissenschaftler:innen bestimmen, wie viele potenziell gefährliche Mikroorganismen in dem Ökosystem zirkulieren, indem sie Nagetiere, Zecken und Mücken – als häufige Träger zoonotischer Erreger – mittels moderner Sequenziertechniken auf das Vorhandensein verschiedenster Bakterien und Viren testen.

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