Jüngere Generation wird früher und häufiger krank als ältere

Eine Forschergruppe der Medizinsoziologie untersucht die Gesundheitsentwicklung in der Bevölkerung und kommt zu überraschenden Ergebnissen.

Trotz höheren Alters stehen sie mitten im Leben, sind gesund, aktiv und geistig hellwach – die Rede ist von den „jungen Alten". Wer heute in Rente geht, hat statistisch gesehen weitaus mehr Lebensjahre vor sich als seine Großeltern. Die ältere Generation profitiert von den verbesserten Lebensbedingungen nach dem zweiten Weltkrieg: weniger schwere körperliche Arbeit, bessere Ernährung, gute medizinische Versorgung und mehr Gesundheitsbewusstsein. „Bereits Anfang der 1980er Jahre stellte der amerikanische Mediziner James Fries die These auf, dass aufgrund der insgesamt besseren Lebensumstände die Erkrankungsraten sinken und das Auftreten von Krankheiten und Behinderungen sich nach hinten in spätere Lebensphasen verschiebt", erklärt Professor Dr. Siegfried Geyer, Leiter der Medizinischen Soziologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Von dieser positiven Perspektive ausgehend untersuchte Professor Geyer gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe, wie sich der Gesundheitszustand unterschiedlicher Altersgruppen in der Bevölkerung entwickelte.

Kompression und Expansion

Professor Geyer und sein Team beschäftigen sich bereits seit 2014 mit dem Thema „Kompression und Expansion der Morbidität". So lautet auch der Titel ihres Forschungsschwerpunkts. Morbidität bezeichnet die Beeinträchtigung eines Individuums oder einer Bevölkerungsgruppe durch Krankheit. Von Morbiditätskompression sprechen die Fachleute, wenn Krankheiten oder Behinderung insgesamt seltener oder im Lebensverlauf später auftreten. Ist das der Fall, wird gesunde Lebenszeit gewonnen. Bei einer Morbiditätsexpansion hingegen treten Erkrankung oder Behinderung insgesamt häufiger oder im Laufe des Lebens früher auf. Ist das so, geht gesunde Lebenszeit verloren. Die Menschen leben dann mehr Lebensjahre mit Beeinträchtigungen und Behandlungsbedürftigkeit.

Breites Spektrum an Studien

Für die Übersichtsarbeit werteten die Forschenden nationale und internationale Studien aus und stellten eigene Recherchen an. Außerdem nutzten sie Daten der AOK Niedersachsen, die eine breite Sozialstruktur abbilden. „Wir haben uns den Zeitraum von 2005 bis 2019 angeschaut und zu verschiedenen Zeitpunkten Kohorten gleichen Alters miteinander verglichen", sagt Professor Geyer. Das überraschende Ergebnis: Der sich früher über Jahre verbessernde Gesundheitszustand der Älteren setzt sich bei den später geborenen Generationen nicht fort. Diese Entwicklung findet sich beispielsweise auch für die USA.

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