Anhaltender Stress zieht auch den Darm in Mitleidenschaft.
Insbesondere bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist bekannt, dass
psychische Belastungen zu akuten Krankheitsschüben führen können. Die molekularen
Mechanismen dahinter sind bisher jedoch unzureichend erforscht. Ein Team um den
Gastroenterologen Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Kai Markus Schneider konnte nun wichtige
Erkenntnisse darüber beitragen, welche zellulären und biochemischen Vorgänge der
Verbindung zwischen Psyche und Darm zugrundeliegen.
Unter Stress produziert der Körper verschiedene Hormone, die ihm helfen sollen, mit einer
akuten Belastungssituation fertig zu werden. Kurzfristig steigert dieser Hormonschub
tatsächlich die Leistungsfähigkeit, zündet Energiereserven und regt den Kreislauf an.
Langfristig jedoch kann er zum gesundheitlichen Problem werden. Unter Dauerstress sind es
speziell die in der Nebennierenrinde produzierten Glucocorticoide, die
Entzündungsreaktionen im Darm eskalieren lassen. Das zeigten Schneider und sein Team in
Versuchen an Mäusen.
Glucocorticoide wirken auf die Zellen des Darmnervensystem
Dabei wirken die Glucocorticoide offenbar nicht direkt auf die Entzündungszellen des Darms.
Als erste Anlaufstelle und wichtigste Vermittlungsinstanz konnten die Forschenden vielmehr
das so genannte Enterische Nervensystem (ENS) identifizieren. Das ENS bildet ein dichtes
Geflecht, das die Darmwand durchzieht und aufgrund seiner komplexen Organisation
zuweilen als „Bauchhirn" bezeichnet wird. Unter Glucocorticoid-Einfluss, so zeigte die
Untersuchung, kam es zu deutlichen Veränderungen dieses komplexen Gefüges. Davon waren
sowohl die Stütz- und Hilfszellen (Gliazellen) des ENS betroffen, als auch die enterischen
Nervenzellen selbst. Wie Schneider in aufwändigen Versuchen zeigen konnte, bildete sich
unter Dauerstress eine Subgruppe von Gliazellen heraus, die den Immunbotenstoff CSF1
produziert und so zu einer Aktivierung von Entzündungszellen beitrug. CSF1 aktiviert
außerdem Monozyten, also Blutzellen des Immunsystems, was die Entzündungsreaktion noch
verstärkt – dieser Prozess fehlgeleiteter Entzündungen ist bereits bekannt als
zugrundliegende Ursache einer Vielzahl anderer Erkrankungen.
Die enterischen Nervenzellen dagegen wurden durch die Glucocorticoide in einen Zustand
der Unreife versetzt, der mit einem Mangel des Botenstoffes Acetylcholin und einer Störung
der Darmmotilität, also der Bewegungsfähigkeit des Darms, einherging. Durch diese beiden
Vorgänge lassen sich Entzündungsschübe und Darmbeschwerden bei einer chronisch-
entzündlichen Darmerkrankung erklären.
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