Welchen Anteil haben Umweltschadstoffe am Anstieg von Parkinson und Alzheimer?

Der Anstieg neurodegenerativer Alterserkrankungen wie M. Alzheimer und M. Parkinson ist höher als erwartet. Die Prävalenz nimmt insbesondere bei Parkinson überproportional zu, also deutlich mehr, als allein durch die Überalterung der Gesellschaft erklärt werden kann. Offensichtlich spielen Lifestyle- und auch Umweltfaktoren eine Rolle. Eine aktuelle Kohortenstudie zeigt, dass Jahrzehnte nach Exposition mit dem Lösungsmittel TCE das Parkinson-Risiko bei US-Veteranen um 70% höher war als bei jenen, die dieser Substanz nicht ausgesetzt waren.

Der demografische Wandel führt in der Gesellschaft zwangsläufig zu einer Zunahme altersassoziierter Erkrankungen, unter anderem der Alzheimer- und Parkinson-Erkrankung. Beide gehören zu den chronischen neurodegenerativen Erkrankungen, die bisher nicht heilbar oder kausal behandelbar sind. Die Erkrankungen haben zwar vordergründig unterschiedliche Symptome, es gibt jedoch verschiedene Gemeinsamkeiten, wie den Untergang von Neuronen mit progredienter Symptomatik. Bei beiden Erkrankungen treten auf molekularer Ebene fehlerhafte Proteinstrukturen auf (Beta-Amyloid, Tau-Protein und α-Synuclein), die sich (an unterschiedlichen Orten) im Gehirn ablagern und zum Nervenzellverlust beitragen. Die Forschung deckt immer mehr Details der molekularen Pathomechanismen auf.

Eine mögliche Ursache beider Erkrankungen sind Genmutationen, allerdings ist die Mehrzahl der Fälle ist nicht auf die Genetik zurückzuführen. Auch lebensstilbedingte Faktoren spielen nachweislich eine Rolle: Die Vermeidung bzw. rechtzeitige adäquate Korrektur dieser Risikofaktoren könnte laut Bericht der „Lancet Commission" etwa 40% aller Demenzerkrankungen verhindern. Zu diesen Faktoren zählen ein niedriger Bildungsstand, Schwerhörigkeit, Depression, Bluthochdruck, Rauchen, Übergewicht, körperliche Inaktivität, Diabetes mellitus und der Mangel an sozialen Kontakten. Im letzten Bericht wurden drei weitere Faktoren mit gesicherter Evidenz hinzugefügt, dies sind (wiederholte) Schädel-Hirn-Traumen, exzessiver Alkoholkonsum und Luftverschmutzung.

Dass Partikelschadstoffe aus der Luft und Umwelttoxine sich akut auf das Nervensystem auswirken, zeigt sich bei Vergiftungen. Doch in welchem Zusammenhang stehen Umwelttoxine mit neurodegenerativen Alterserkrankungen? Die Liste „verdächtiger" Substanzen ist lang; neben Feinstaub werden Pflanzenschutzmittel/Pestizide, Lösemittel (z.B. Toluol), Mineralöle, chemische Weichmacher, Bisphenol A (BPA), Mikroplastik und Nanopartikel genannt, aber auch neurotoxische Metalle (wie Blei, Quecksilber, Cadmium, Mangan). Mit einigen dieser Stoffe werden insbesondere typische biochemische Parkinson-Merkmale in Verbindung gebracht  z. B. mitochondriale Dysfunktion, Störungen der Metallhomöostase und Aggregation von Proteinen.

Seit längerer Zeit wird die mögliche Rolle des industriellen Lösungsmittels Trichlorethylen (TCE) bei der Entstehung des M. Parkinson diskutiert. Gerade erschien eine Publikation [1], die den Verdacht auf toxische Effekte von TCE deutlich erhärtet und Grundlage künftiger Evidenz sein kann. Die US-amerikanische bevölkerungsbasierte Kohortenstudie untersuchte das Parkinson-Risiko bei Marineangehörigen (n=172.128), die zwischen 1975 und 1985 für mindestens drei Monate in Camp Lejeune, North Carolina, stationiert waren. Dort war es in dieser Zeit zu einer Verunreinigung des Trinkwassers mit verschiedenen volatilen organischen Lösungsmitteln gekommen. Die höchsten Konzentrationen betrafen TCE: die Werte überstiegen das bis zur 70-Fache der zulässigen Menge. Die heutigen Veteranen waren bei ihrer Ankunft im Camp ungefähr 20 Jahre alt und haben durchschnittlich zwei Jahre dort gelebt. Verglichen wurde diese Kohorte mit einer zweiten (n=168.361), die in Camp Pendleton, Kalifornien, stationiert war (ohne Trinkwasserkontamination). Die demografischen Merkmale der beiden Kohorten waren vergleichbar (z.B. ca. 95-96% Männer). Die Nachuntersuchungen stammen aus den Jahren 1997 bis 2021, das mittlere Alter der Nachuntersuchten betrug knapp 60 Jahre.

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